Longevity für Frauen

Longevity – der Traum, ewig jung zu bleiben. Die greifbare Chance, die Zeit zurückzudrehen. Young forever. Klingt wunderbar. Bringt Großartiges mit sich. Allerdings nicht zwingend für alle. Denn jung bleiben und für immer jung aussehen ist ein eklatanter Unterschied!

Männer messen ihre Herzfrequenzvariabilität, ihren VO2Max, während Frauen ihre Falten zählen. Männer feiern ihre grauen Haare, während Frauen ihre verzweifelt verdecken. Männer prahlen mit Top-Blutwerten, während Frauen sich für ihre Krähenfüße entschuldigen. Willkommen in der bizarren Welt der Langlebigkeit, in der die Regeln willkürlich sind und „Equality“ nur ein schöner Gedanke ist

Biohacking-Bros gegen Opfer von Schönheitsidealen

Ist euch schon mal aufgefallen, wie unterschiedlich Männer und Frauen mit dem Älterwerden umgehen? Für Männer ist das Älterwerden zu einer technischen Herausforderung geworden – ein System, das es zu hacken, zu optimieren und zu verbessern gilt. Sie schlucken Nahrungsergänzungsmittel, messen ihren Schlafzyklus mit militärischer Präzision und verwandeln ihren Körper in ein wissenschaftliches Experiment. Sie führen Tabellen über ihren Testosteronspiegel und nutzen Apps, um ihre Schritte zu zählen. Für den modernen Mann ist Longevity eine Herausforderung, der sich mit coolen Gadgets, Entschlossenheit und Neugier begegnen lässt.

Frauen hingegen kämpfen einen ganz anderen Kampf. Während Männer stolz verkünden, dass ihr biologisches Alter „technisch gesehen 12 Jahre jünger ist als ihr chronologisches Alter“, versuchen Frauen verzweifelt, 20 Jahre jünger auszusehen, als sie tatsächlich sind. Der Unterschied? Das eine wird als wissenschaftliche Errungenschaft gefeiert, das andere als gesellschaftliche Anforderung. Oder warum ist ein bekannter Münchner „Longevity Experte“ wohl zufällig plastischer Chirurg? Was hat das eine mit dem anderen zu tun? Meiner persönlichen Meinung nach nichts.

Kosmetik und Schadstoffe

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Longevity-Falle: „60 ist das neue 40“

Erinnert Ihr Euch noch, als „40 ist das neue 30“ in Mode war? Dann wurde daraus „50 ist das neue 40“ und jetzt sind wir bei „60 ist das neue 40“. Vielen Dank auch! Bei diesem Tempo werden wir 2050 90-Jährigen sagen, dass sie wie Teenager aussehen sollen.

Hinter diesem scheinbar positiven Mantra verbirgt sich eine finstere Wahrheit: Frauen feiern nicht das Älterwerden, sondern leugnen es, solange wie möglich. Und die Last dieser Leugnung lastet schwer. Wenn wir sagen „60 ist das neue 40“, meinen wir eigentlich „Du solltest mit 60 wie 40 oder besser wie 30 aussehen“. Für Männer bedeutet das vielleicht, aktiv zu bleiben und auf ihre Gesundheit zu achten. Für Frauen bedeutet es, zwei Jahrzehnte Lebenserfahrung aus ihrem Gesicht zu löschen.

Die Doppelmoral ist eklatant. George Clooney wird für sein natürliches Altern als „distinguiert“ bezeichnet, während eine Pamela Anderson als wahnsinnig „mutig“ gilt, wenn sie ungeschminkt auf dem roten Teppich erscheint. Was die sich traut.

Gefilterte Realität

Soziale Medien haben dieses Problem noch verschärft. Filter, die die Haut glätten, Falten entfernen und Lippen voller wirken lassen, haben einen völlig neuen Schönheitsstandard geschaffen, der in der Natur nicht einmal existiert. Junge Frauen lassen sich kosmetisch behandeln, um wie ihr gefiltertes Ich auszusehen. Ältere Frauen haben mittlerweile das Gefühl, irgendwie versagt zu haben, weil sie ihrem Alter entsprechend aussehen. Wo es doch so viele tolle Wege gibt, jung auszusehen. Gell, Frau Geiss. 8 Stunden OP und schon sitzt die Visage wieder.

Das Minenfeld der Menopause

Okay, tiefer Atemzug: Sprechen wir über die Menopause – oder besser gesagt, darüber, dass wir nicht über die Menopause sprechen. Während Männer ihre „Optimierungsreise“ bis weit über 70 feiern, werden Frauen in den Wechseljahren behandelt, als hätten sie ihr Verfallsdatum erreicht.

Gewichtszunahme in den Wechseljahren? Das ist keine natürliche hormonelle Veränderung – das ist persönliches Versagen! Hitzewallungen? Das muss doch nicht sein. Hol dir bitte schnellstens Bioidentische Hormone. Stimmungsschwankungen? Nachlassende Libido? Das liegt bestimmt daran, dass du den Longevity-Schuss nicht gehört hast. Dagegen kann man doch was tun! Alt werden ist heutzutage eine Entscheidung. Also, mach was!

Die Longevity-Bewegung mit all ihren Möglichkeiten zur Verlängerung der gesunden Lebenserwartung hat zu diesem globalen Erwartungsdruck auf Frauen bemerkenswert wenig zu sagen. Doch, wenn wir schon erstmals in der Geschichte der Menschheit derart fabelhafte Möglichkeiten haben, dem Alter entgegenzusteuern und unser biologische Uhr zurückzudrehen, dann müssen wir uns auch mit ethischen Fragen auseinandersetzen. Erstens, was machen wir mit all den lustigen 120-Jährigen. Abstellen im Altersheim wäre wohl kontraproduktiv. Zweitens: Wer finanziert das? Das Rentensystem sicher nicht. Drittens: Woher kommt der Sinn im Leben, der uns Jahrzehnte weiterträgt?

Und vor allem: Lasst uns bitte gesund, vital und energievoll Älterwerden sorgfältig von dem brutalen Jugendwahn trennen, der Frauen in das Bermudadreieck aus Filler, Facelift und Fettabsaugung zwingt – oder sie ganz von der Bildfläche verschwinden lässt.

Longevity für Frauen

Die Anti-Aging-Industrie – nicht zu verwechseln mit Longevity

Der weltweite Anti-Aging-Markt wird bis 2026 voraussichtlich 88,3 Milliarden Dollar erreichen. Denkt einen Moment über diese Zahl nach. Das sind Milliarden von Dollar, die hauptsächlich von Frauen ausgegeben werden, die versuchen, nicht so alt auszusehen, wie sie sind. Von den Toxinen in dieser Anti-Aging-Kosmetik reden wir hier nicht.

Männer geben ihr Geld für Leistungssteigerung aus – Nahrungsergänzungsmittel, die ein besseres Training, einen klareren Kopf und einen stärkeren Körper versprechen. Frauen geben ihr Geld für die Verbesserung ihres Aussehens aus – Kollagen, das straffe Haut verspricht, Eingriffe für vollere Lippen und Brüste, die jeder Schwerkraft trotzen, Prozeduren (und Torturen), die dir 20 Jahre aus dem Gesicht nehmen – oder gleich jegliche Anmut. Kommt auf den Chirurgen an!.

Der eine feiert, was der Körper im Alter leisten kann, die andere schämt sich, wie ihr Körper aussieht. Der eine ist ambitioniert, die andere verzweifelt. Der eine blickt voller Zuversicht nach vorne, die andere zurück auf ihre besten Jahre.

Sich aus der Jugendfalle befreien

Vielleicht gibt es einen Hoffnungsschimmer. Untersuchungen zeigen, dass viele Frauen mit zunehmendem Alter ein gesünderes Verhältnis zu ihrem Aussehen entwickeln. Sie akzeptieren sich selbst mehr und kümmern sich weniger darum, gesellschaftlichen Schönheitsidealen zu entsprechen. Im Grunde genommen hören sie auf, ein Spiel zu spielen, von dem sie erkannt haben, dass es manipuliert ist. Böse Zungen sagen, was bleibt ihnen auch übrig.

Was wäre, wenn das wahre Versprechen der Langlebigkeit nicht darin bestünde, länger zu leben und dabei jünger auszusehen, sondern länger zu leben und sich weniger darum zu kümmern, jünger auszusehen?

Was wäre, wenn Longevity auch für uns Frauen zur Bewegung wird, das Älterwerden zu feiern, anstatt verzweifelt zu versuchen, es zu verbergen? Das ist doch im Grunde auch der einzige Sinn an der Sache.

Damit Frauen wirklich von der Longevity-Bewegung voll und ganz profitieren, müssen wir Gesundheit und Aussehen voneinander trennen. Wir müssen erkennen, dass der Wunsch, länger und gesünder zu leben, nicht bedeutet, dass man für immer wie 35 aussieht. Und wir müssen verstehen, dass J.Lo und Konsorten einfach verdammt gut ausgeleuchtet sind – nachdem sie 6 Stunden von ihrem Glam Squad auf jung getrimmt wurden.

Langlebigkeit für Frauen bedeutet, herauszufinden, was wirklich zählt. Stärke, Energie, Freude, Leidenschaft und die Kraft, alles zu erreichen, was wir wollen. In jedem Alter. In jeder Lebensphase. Female Forever!

Sonst werden wir Frauen die fremdgesteuerten Verliererinnen im Longevity Game sein. Und sogenannte Longevity-Ärzte werden weiterhin an unseren Gesichtern herumschnippeln.

Bildquelle: istockphoto.com |

  1. Bandage auf Frau Gesicht | credits @ Robert Daly
  2. Dynamisches Frauentrio posiert selbstbewusst im modernen Büro | credits @ Jana Murr

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